Bruno und seine Würstchenbude

Eines sei vorausgesagt: „Wir waren früher auch nicht ohne. Man könnte  auch sagen, wir Jungen hatten es faustdick hinter den Ohren." Des Öfteren gingen wir zu Brunos Würstchenbude und aßen dort eine Currywurst. Sein Verkaufswagen stand ungefähr fünf Meter neben und unterhalb eines riesigen Lindenbaums. Es war an einem Sonntag. Wir Jungen kamen aus dem Kino. Einer von uns hatte die Idee, doch noch Brunos Würstchenbude aufzusuchen. Im Alter von 15 oder 16 Jahren hatte man ja immer Hunger. Genussvoll ließen wir uns die Currywurst schmecken. Doch dann auf einmal, es kamen immer mehr Passanten um eine Currywurst zu essen.

Bruno war ein ziemlich knorriger Zeitgenosse. Nicht gerade freundlich, oder anders ausgedrückt, er polterte uns an, den Platz vor seiner Theke zu räumen, um seine anderen Kunden besser bedienen zu können. Hätte er es uns in einem freundlichen Ton gesagt, wäre ja alles in Ordnung gewesen. So aber fühlten wir uns angegriffen. Auf unserem Heimweg beschlossen wir: „Dass werden wir ihm heimzahlen!" Es kam das nächste Wochenende, wir waren wieder beisammen. Natürlich schlenderten wir zu Brunos Würstchenbude. Dieses Mal aßen wir aber kein Currywurst. Wir stellten uns etwa drei Meter vor seinem Verkaufswagen und warteten, dass jemand kommt, um ein Würstchen zu essen. Wie zu erwarten, es kamen mehrere die eine Wurst essen wollten. Wir stellten uns nun im gebührenden Abstand dahinter und fingen an, wie ein Pferd mit den Füßen zu scharren und zu wiehern. Plötzlich sagte einer von uns: „Habt ihr das auch schon gehört? Ob das wohl wahr ist?“ Natürlich schauten uns die Kunden an. Ja man konnte sogar sehen, dass der eine oder andere schwer schluckte. Bruno aber, der in seinem Wagen stand, kochte vor Wut! Dieser Angriff war uns Jungen gelungen. Eines Abends, zusammen mit meinem Freund wollten wir eine Currywurst essen. Die vorherige Geschichte hatten wir längst vergessen. Jeder von uns sagte: „Bitte einmal Currywurst mit Pommes und Mayonnaise." „Ja sofort“, antwortete er. Wir haben nach unserer Bestellung nicht mehr auf sein weiteres Verhalten geachtet. Sein Verkaufswagen hatte seitlich eine Tür. Durch diese Seitentür kommend, stand er plötzlich neben uns und gab jedem eine kräftige Backpfeife. Diese haben wir wahrlich schmerzhaft vernommen. Für uns aber war es die Kriegserklärung! Fortan heckten wir aus, wie wir es ihm heimzahlen könnten. Seine Würstchenbude, die er in unserer Stadt auf dem Marktsplatz stehen hatte, war ca. dreihundert Meter vom Schrottplatz der Zeche Holland entfernt. Dort kletterten wir über die Mauer und fanden ein ca. 30 Meter langes und 5 mm starkes Stahlseil. Für uns, wie geschaffen. Der Zufall wollte es. Nicht Bruno, sondern ein doch stark angetrunkener Mann, so um die Fünfzig, sollte unser erstes Opfer sein. Dieser Mann hatte seinen Wagen einige Meter vor dem besagten Lindenbaum geparkt. Er kam wohl aus dem gegenüberliegenden Tanzlokal und stieg in seinen Wagen. Es war ein DKW mit Frontantrieb. Was der gute Mann nicht wusste, wir hatten dieses Seil in etwa 2 Meter Höhe im Baum an einen Ast befestigt. Dann führten wir das Seil unter seinen Wagen hindurch und machten es am vorderen Abschlepphaken wieder fest. In einem gebührenden Abstand beobachteten wir nun, was wohl geschehen wird. Er startete den Motor, legte einen Gang ein und wollte, schon wegen seiner Trunkenheit, ganz langsam davon fahren. Die ersten zwei Meter fuhr der Wagen. Doch dann spannte sich das Seil und der Wagen begann, sich am Heck zu heben. Er muss wohl gedacht haben, auf einem Schiff zu sein. Den Motor stellte er ab und stieg aus. Der Wagen stand wieder ganz normal. Er schaute vorne, er schaute hinten, es war nichts zu sehen. Kopfschüttelnd stieg er wieder ein und versuchte es nochmals. Es geschah das Gleiche. Wieder stieg er aus und konnte nichts feststellen. Das dünne Seil war in der Dunkelheit nicht zu sehen. Er versuchte es noch einmal, dann knallte er die Wagentür zu und ging in die Richtung, aus der er gekommen war. Wie es sich später herausstellte, holte er Hilfe. Wir aber lösten wieder das Seil und versteckten es hinter der großen Linde. Der Fahrer kam zurück. Wie wir vermuteten, er hatte sich Hilfe geholt. Nun gingen beide mehrere Male um das Auto herum und untersuchten es von allen Seiten. Feststellen konnten sie aber nichts. Der zur Hilfe mitgekommene Mann zeigte nun dem Fahrer, er soll einsteigen und losfahren. Was dieser dann auch gemacht hat. Kopfschüttelnd stand er nun da, schaute dem Davonfahrenden nach und machte er eine eigenartige Handbewegung in Richtung seiner Stirn. Anschließend entfernte er sich wieder. Wir jedoch, hielten uns vor Lachen den Bauch.

Das Stahlseil hingegen musste aber noch einmal herhalten. Wir hatten ja Bruno noch auf unserer Rechnung. Wenn er Feierabend machte und seine Bude abgeschlossen hatte, holte ihn seine Frau mit ihrem Wagen ab. Ihr Wagen hatte eine Anhängerkupplung. Das Ankuppeln ging ruck zuck. Nun kam unsere Stunde der Rache. Ich gebe zu, sie war am Rande der Legalität. Schon einige Tage hatte Bruno von uns Burschen, niemanden mehr gesehen. Jedoch an diesem Abend hatte sich einer von uns herangeschlichen und das Seil am Ende des Wagens befestigt. Bruno setzte sich zu seiner Frau ins Auto und beide wollten nach Hause fahren. Auch hier, das Seil spannte sich und der Verkaufswagen drohte umzukippen. Er hatte Glück! Einige junge Pärchen, die gerade vom gegenüberliegenden Tanzlokal kamen, sahen das drohende Unglück kommen und brachten das Gefährt durch Schreien und winken zum Stehen. Von uns ließ sich nach diesem Akt niemand mehr bei ihm sehen. Wir aßen unse Currywurst ab sofort an einem anderen Stand.

 

ENDE